2. Tag, 19. Mai 2024
Der erste Spieltag begann zwar mit Regen, doch das sollte unsere Spieler und Spielerinnen nicht davon abhalten, ihren Kampfgeist zu bewahren. Im Gegenteil.
Nach kurzer Vorbereitung nach einem Frühstück ohne Taschenmesser, aber mit Zeitungsgruß für Flora, wurde die erste Runde mit “Schwarz oder Weiß” und Turnierinformationen eingeleitet. Dann startete schon die Eröffnungsrunde, in der Malak gegen die vor allem Eröffnungsstarke Yelyzaveta Hladeniuk (SchachAkademie Paderborn/ NRW) wohl die schwierigste Aufgabe hatte. Doch hier wirkte die Vorbereitung. Es kam, wie erwartet, Damengambit aufs Brett, mit einem ungewöhnlich frühen Abtausch der Bauern auf d5 im 4. Zug von weiß. Nach der Eröffnung hieß es; Nerven bewahren, doch ich schätzte Malak taktisch und auch im Endspiel als besser ein. Damit sollte ich auch Recht behalten. Malak kam gut aus der Eröffnung und erwies sich im anfänglichen Stellungsspiel als sehr geschickt, geschickter als ihre Gegnerin, die zwar einen Angriff auf dem Dameflügel inszenierte, dann aber die hängenden Bauern nicht schlug und Malak so die Chance gab, einen Gegenangriff zu starten. Und die nutzte sie auch. Hier zeigte sich jetzt, wie gut Malak wirklich aus der Eröffnung gekommen war. Denn ihre Figuren standen alle bereit für einen Königsangriff, während die Springer ihrer Gegnerin auf dem Dameflügel „Urlaub machten“ und alle Flugzeuge zu spät wären, die sie hätten auf die andere Seite der Erde fliegen können. So hatte Malak mit 29. … Tf3!! die Gewinnchance, die sogar fast Matt gewesen wäre. Am Ende hätte sie mit +4,4 die gewonnene Stellung gehabt. Doch leider war sie zu aufgeregt und spielte dementsprechend zu schnell, sodass sie sowohl diese, als auch eine weitere Möglichkeit einen Zug später leider verpasste. Mit 30. g4 sah es zwar so aus, als würde Malak einen Läufer verlieren (Bauerngabel zwischen Dame und Läufer), doch auch hier hätte die Fortsetzung 30. … Lxg4 zu einem Turm für sie gegen zwei Springer und einer wesentlich besseren Stellung (+1,7) geführt. Doch sie spielte auch in diesem entscheidenden Moment zu schnell. Ab dem 42. Zug spielt Gegnerin mit Mehrfigur und dann sogar mit Freibauern und so stand sie ab diesem Zeitpunkt auf Verlust.
Schade um diese wirklich starke Partie, gegen die formell so viel bessere Gegnerin. Aber verstecken muss sich Malak hier nach dem Auftakt jedenfalls nicht!
Wenig Glück hatte leider auch Ali. Vor der Partie gegen Florian Hantke (TSG Oberschöneweide) kam er zu mir und fragte, welche seiner Eröffnungen er lieber spielen sollte. Der Tipp: Das, womit du dich sicherer fühlst. Und so kam er in eine für ihn bekannte Wohlfühlstellung des Italienischen. Doch leider tauschten sich immer schneller immer mehr Figuren ab, dabei wollte Ali doch gewinnen. Das konnte er auch. Zweimal sogar. Bauernendspiel seit dem 40. Zug, zum Schluss nur die Könige, Remis Als er zur Analyse kam, war er enttäuscht, und als ich ihm zeigen konnte, wie er sich im 48. Zug einfach verrechnet hatte, ärgerte er sich sehr über das Unentschieden, das am Ende auf dem Papier stand. Mit 48. König statt Bauer c5 verlor er das alles entscheidende Tempo und damit den Sieg. Wobei auch Ali schon vorher eine Schwachstelle in der gegnerischen Bauernstruktur hätte ausnutzen können. Passiert, weiter geht’s, davon nicht runterziehen lassen.
Etwas mehr Glück hatte Flora, die meine Anweisung, nicht vor zwei Stunden Spielzeit fertig zu sein, genauestens umsetzte und nach ziemlich genau zwei Stunden im Hotel erschien. Also auch hier ein bisschen zu schnell. Da Floras Gegnerin Polly Rutschmann (Barnimer SF/ Brandenburg) bei der DJEM gegen ihr 1. e4 ausschließlich Französisch (1. e6) bekam (sie ist zu bemitleiden), konnte die Vorbereitung hier nicht ganz so üppig ausfallen wie bei Malak. Ich riet auch ihr daher, einfach das zu spielen, womit sie sich am sichersten fühlte und das tat Flora auch. Schon im 8. Zug opferte sie scheinbar einfach einen Bauern auf b7, zeigte mir jedoch danach in der Analyse, wie sie den zurückgewonnen hätte. So entstand nach der späten langen Rochade der Gegnerin im 11. Zug die berühmte Stellung mit den unterschiedlichen Rochaden, für die Flora allerdings weitaus besser aufgestellt war als Polly. Auch der Computer entscheidet nach diesem Zug 0-0-0 schon +3,2 für Flora. Mit ein paar Schwankungen und übersehenen schnelleren Möglichkeiten spielte sie ihren Angriff trotzdem stark und überlegt zu Ende und krönte ihren Triumph mit dem erzwungenen Damegewinn im 27. Zug, wonach die Gegnerin direkt aufgab. So kann es weitergehen.
Julian bekam, wie Malak, Damengambit. Im 11. Zug entstand hier eine komplizierte Stellung mit den weißen Bauern c-e4 und den schwarzen c5 und d5 davor. Gleich darauf wurden jedoch nicht nur diese Bauern, sondern auch viele andere Figuren abgetauscht, sodass es auf einmal ziemlich leer war auf dem Brett. Julian traf nun mit 27. … d3 eine falsche Entscheidung, indem er wertvolle Bauern für einen Angriff opferte, “der keiner war”, wie Rüdiger aus der Ferne richtig einschätzte. Der Gegner nutzte das aus und gewann schließlich das resultierende Endspiel mit drei verbundenen Freibauern mehr. Auch hier sicher eine enttäuschende Niederlage, die vor allem Kraft gekostet hat, denn Julian hat hier immerhin fast vier Stunden gespielt.
Nach dem ausgiebigen und größtenteils gesunden Mittagessen wurde das viele Sitzen von Malak, Ali und Flora im Sportraum kompensiert, bevor 2 Stunden später die zweite Runde begann.
Flora hatte dieses Mal gegen die angriffsstarke Valeri Komar (SC Kreuzberg, Berlin, DWZ: 1691, Setzlistenplatz 5) eine schwierigere Aufgabe. Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns in der Vorbereitung für d4, womit wir dem Russischen auswichen, das sonst wahrscheinlich aufs Brett gekommen wäre. Wahrscheinlich die richtige Entscheidung, denn sie kam gut aus der Eröffnung, fiel nach dem Übersehen des aggressiven 14. g4 jedoch leider in einen kleinen Rückstand, der sich im Laufe der Partie manifestierte. Mit dem wegen Schnelligkeit übersehenen 23. Sxd4 verpasste sie leider das Remis, kämpfte sich im 30. Zug jedoch noch einmal in eine ausgeglichene Stellung. Doch die war alles andere als einfach zu spielen, immerhin stand ein schwarzer Bauer auf e4 und die gegnerische Dame auf Floras vorletzter Reihe. Ein starker Kampf gegen die auf dem Papier so überlegene Gegnerin. Nach drei Stunden kam dann doch noch ein Fehler Floras und führte so zum Verlust einer grandiosen Partie, aus Trainersicht, die allerdings eine so große Reichweite hatte, dass sie sogar dem 300 km entfernten Trainer graue Haare wachsen ließ. Aufgabe im 38. Zug.
Auch Malaks Gegnerin Sheng Lu (SK Mannheim 1946/ Baden) spielte mit 12. … f5 sehr aggressiv gegen eine kleine Ungenauigkeit Malaks, die im 11. Zug mit der falschen Figur schlug. Der Bauernvorstoß beeindruckte sie, was nicht nur in der Partie ersichtlich war, sondern, was sie auch in der Analyse zugab. Weitere kleinere Ungenauigkeiten gipfelten im 22. Zug im Turmverlust und entschieden wenig später die Partie. Aufgabe nach nur 90 Minuten und wenig Spaß für Malak. Schade!
Nach einer etwas seltsamen Eröffnung, die wahrscheinlich gegen sämtliche Eröffnungsgrundsätze verstieß (ohne Rochade!), erspielte sich Julian gegen Milosz Mlynarski (SV Empor Berlin) seinen ersten Punkt. In der unübersichtlichen Stellung ließ Milosz seinen Springer stehen, weil er es zu schön machen wollte. Doch die Mehrfigur hatte im anschließenden Endspiel gegen drei Freibauern zu kämpfen, die ihm das Leben sehr schwer machten. Julian selbst hatte irgendwann nur noch zwei Bauern übrig, kämpfte aber weiter und brachte nach 4,5 Stunden Hochspannung einen heiß umkämpften Punkt zum Essen, dass er sich nun zum Glück nur noch auf den Teller schaufeln musste. Ein wirklich starkes Endspiel, das Gott sei Dank belohnt wurde.
Ali nahm sich dieses Mal wirklich mehr Zeit, geriet nach übersehenem Bauerngewinn in der Eröffnung jedoch erstmal in Schwierigkeiten, denn auf einmal formierten sich die Figuren von Finja Wilke (SAV Torgelow-Drögeheide 90) wie durch Zauberhand zu einem angreifenden Bollwerk (starker Druck auf f7), dass Ali ganz schön ins Schwitzen brachte. Doch er fand nach langem Überlegen einen Weg heraus aus dem Angriff (Dank übersehenem Gewinn der Gegnerin) und startete selbst einen, der ihm eine wesentlich bessere Stellung und mindestens ein Remis sicherte. Am Ende wurde ihm das lange Überlegen jedoch zum Verhängnis. Während ich Flora zu ihren wohlverdienten Abendbrot-Pommes begleiten durfte und dort jeden Moment einen verhältnismäßig gut gelaunten Ali erwartete, ereignete sich im Spielsaal das Unglaubliche. Trotz Fischerzeit (+30 Sekunden pro Zug) und 30 Minuten nach vierzig gespielten Zügen verlor er nach 34 Zügen auf Zeit. Die Angst ließ ihn zögern und das letzte Zögern war eben eines zu viel. Wirklich ein unglücklicher Tag für Familie Jamalli. Die Ergebnisse können nur besser werden.
Aber zumindest bei Flora könnte die Stimmung schlechter sein. Und meiner Meinung nach muss sich hier niemand für schlechtes Spiel schämen, denn soweit waren alle Ergebnisse in der u12w die “erwarteten” und sowohl Malak als auch Flora haben heute gezeigt, dass sie spielerisch auf jeden Fall vorne mitmischen können, also bin ich hier optimistisch, dass die entsprechenden Ergebnisse noch kommen werden. Auch Ali und Julian haben heute Kampfgeist und Können gezeigt und auch wenn die Ziele anders aussahen, werden sie sich sicher noch den einen oder anderen Punkt holen.
Die Bewegung in der Pause heute zwischen den Runden im Sportraum (draußen regnete es die ganze Zeit) reichte Flora wohl auch nicht, jedenfalls gab es am Abend noch ein Tischtennis Match zwischen ihr und Greta Müller aus Hettstedt (u10w). Da werden die wahren Ergebnisse ausgespielt!
Morgen ist nur eine Nachmittagsrunde 14:30 Uhr. Daher drücken wir die Daumen, dass das Wetter mitspielt und schauen mal zur Sommerrodelbahn. Erst das Vergnügen, dann die Arbeit, wie man so schön sagt.
Und die Arbeit wird eine machbare. Ali bekommt es mit Victoria Bräutigam vom SV VHS Rendsburg zu tun. Wer bei dem Namen hellhörig wird, sollte Recht behalten, denn die Bräutigams haben mit Katerina und Alexander schon zwei starke Vertreter bei der DEM. Die 2015 geborene Viktoria tritt dieses Jahr im Open an, spielte jedoch auch schon im Hauptturnier in der u10w mit.
Flora trifft auf Larissa Birkenheier vom SVG Saarbrücken 1970. Mit einer DWZ von 1233 zwar eine Aufgabe, aber bei der Spielstärke von heute eine absolut lösbare.
Malak hat mit Elea Weyerer (SV Oberursel) eine ähnlich schwere Aufgabe.
Julian bekommt mit Sadik Bugra Er (Leegebrucher SF) eine 1538, die es in einer hoffentlich weniger langen Partie zu schlagen gilt.
Wir sind gespannt.