Deutsche Einzelmeisterschaft in Willingen 2024 (25.5.)

4. Tag, 21. Mai 2024

Neuer Tag, neues Glück. Und diesmal sogar mit Zeitungsgruß vom obersten Chef an alle vier. Da leuchteten die Augen. Ein schöner Anblick.

Leider startete der Vormittag, trotz des späteren Rundenbeginns (9 Uhr, nach Applaus und Kuchen mit Kerze für Geburtstagskind Nils Magnus Kuhlmann vom USC Magdeburg – Herzlichen Glückwunsch!), etwas hektisch. Schon die geplante Frühstückszeit 7:30 Uhr hielt Malak nicht ein und kam entsprechend auch erst 8:42 Uhr, kurz vor der Angst, zur Vorbereitung. Und das, obwohl sie mit Polly Rutschmann (Brandenburg), Floras Gegnerin aus der ersten Runde, Gefahr lief, gegen das Londoner System spielen zu müssen. Ich erklärte ihr schnell, worauf es ankam und hoffte, dass es in der Eile irgendwie hängengeblieben war, doch wie sich herausstellte, war das gar nicht nötig. Nach 1. e4 war klar, dass Italienisch kam, auch diese Möglichkeit kannten wir schon aus der 1. Runde gegen Flora. Also doch alles nicht so schlimm. Die Eröffnung verlief sehr ausgeglichen, bis Polly im 16. Zug auf einmal einfach ihren Bauern auf e4 stehen ließ und Malak so das Zentrum und einen guten Springer bekam. Auch der Computer zeigte direkt die +1,1 für Malak an. Das war noch kein Sieg, aber es machte Hoffnung. Doch im 19. Zug drohte es noch einmal zu kippen. Zum Glück übersah die Gegnerin 19. b4, das zu einem Springer-Verlust von Malak geführt hätte und tauschte stattdessen alles ab. Also blieb der Mehrbauer und es ging in ein Turmendspiel mit +3 für Malak. Ich hatte Vertrauen in ihre Endspielkünste. Doch wieder übermannte sie wohl das Adrenalin und mehrere zu schnelle Züge ließen ihren Vorsprung immer kleiner werden. Sie verpasste den Sieg an mehreren Stellen, rechnete zu wenig, was im Bauernendspiel nicht ratsam ist, kam am Ende einen, vielleicht zwei Züge zu spät und verlor auch diese Partie nach der zweiten neuen gegnerischen Dame durch Aufgabe im 58. Zug.

Auch Ali gewann gleich in der Eröffnung einen Bauern. Wieder hatte er mich überrascht, mit dem Angebot, Caro Kann zu spielen. Sein Gegner, Leon Michaelis (SJ Herborn 1989/ Hessen), hatte damit wohl auch nicht gerechnet. Ist eben gut, wenn man so ein großes Eröffnungsrepertoire hat. Ali bekam im 26. Zug beide Türme auf die vorletzte Reihe Leons und schien dessen Schicksal damit schon zu besiegeln. Geschickt sammelte er alle herumstehenden Bauern seines völlig wehrlosen Gegners ein, tauschte erst einen, dann den anderen Turm und zwang ihn schließlich im 53. Zug zur Aufgabe. Sehr stark gespielt von Ali, vor allem das Endspiel, und ein weiterer Punkt auf der Habenseite.

Flora indessen spielte viel zu schnell gegen Antonia Luible (SF Tegernheim/ Bayern). Sie stand zwar nach der Eröffnung mit 1,3 im Plus, verpasste aber die Chance, aus dieser besseren Stellung Profit zu ziehen. Nach 16 Zügen stand es wieder ausgeglichen und Flora hatte gerade mal 1,5 Minuten weniger Zeit auf der Uhr als zu Beginn der Partie. Langsam und mühselig kämpfte sie sich wieder heran. Eine Bauernwand von c-e4 brachten ihr immerhin ein +0,5 vom Computer ein. Doch die Frage blieb: Reicht das? Eine Stunde und 10 Züge mit zwei verpassten Chancen später konnte ich die Frage “Jain” beantworten. Im 40. Zug war wirklich alles abgetauscht, bis auf zwei Bauern von beiden, die sich genau gegenüberstanden und je einer Leichtfigur. Remis nach 40 Zügen. Schade eigentlich, denn sie hätte es noch einmal spannend machen können, wenn sie länger überlegt hätte. Das alte Problem. Aber auch ein Remis ist sowohl gerechtfertigt als auch völlig in Ordnung und stark erkämpft.

Julians Partie bereitete mir ein bisschen Kopfschmerzen. Es war von Anfang an eine sehr unübersichtliche Stellung mit entgegengesetzten Rochaden und greifst-du-mich-an-greif-ich-dich-an-Situationen. Als sich die Stellung endlich etwas lichtete, reagierte der 1999 geborene Rene Lohmann (SK Wilhelmsburg 1936/ Hamburg) schnell und brachte sämtliche Schwerfiguren auf offene Linien vor Julians freiem König. Ein Springer blieb ihm als Verteidigungsfigur und glücklicherweise reichte das. Nach zweimal derselben Stellung und einem Remisangebot des Gegners nahm Julian an. In der Analyse zeigte er mir, wie sein Gegner hätte gewinnen können. 24. Sxf2!, ein teuflischer Zug. Irgendwo in der Eröffnung hätte Julian wahrscheinlich mal aggressiver spielen müssen, um den Gegner nicht so in den Angriff kommen zu lassen. Doch den Punkt haben wir auch zusammen ohne Computer nicht gefunden. Also auch hier ein Remis, das durchaus in Ordnung ist.

Der freie Nachmittag sollte nun der Schanze gewidmet werden.

Es war wie immer ein sehr schöner Ausflug, die Gondelfahrt wieder ein Highlight, auch wenn sie mit 10€ pro Person wie alles andere sehr teuer geworden ist. Auf dem Rückweg gab es dann für alle ein Eis in unserem Stammcafé “Aufwind”. Die Gehirne sollten nach so viel frischer Luft auf jeden Fall gut durchlüftet sein, hoffen wir, dass es uns in den morgigen Runden hilft.

Nelly & Flora

Nelly & Flora

Flora könnte das gut gebrauchen, denn sie trifft auf die starke Lara Tischlinger (SK Weisse Dame Hamburg), immerhin mit einer DWZ von 1528. Doch auch sie hat “erst” 2,5 Punkte, wie Flora und in den letzten Partien einige Punkte liegengelassen. Flora ist also natürlich nicht chancenlos. Wenn wir eines gelernt haben, aus den letzten Jahren deutsche Meisterschaft, dann, dass hier wirklich alles möglich ist.

Malak darf wieder mit weiß ran, gegen Sara Alnajjar (SC Caissa Falkensee/ Brandenburg). Immerhin eine 1194, doch auch sie hat bisher noch keinen Punkt geholt, also auch für Malak natürlich eine machbare Aufgabe.

Julian wird gegen Aleksandrs Fize vom Hagener SV (Niedersachsen) spielen, der seine 1,5 Punkte allerdings von vorderen Brettern geholt hat, während sich Julian bisher eher im hinteren Teil des Feldes aufhielt. Also auch hier natürlich eine Herausforderung.

Ali bekommt einen echten Zeitungshelden als Gegner. Jeden Morgen stehen Grüße an Atticus (Nguyen Trung – SK Germering/ Bayern) in der Turnierzeitung. Aber wenn wir alle für Ali die Daumen drücken, können wir die Unterstützung, die sein Gegner erhält, ausgleichen.

Morgen Nachmittag dann noch eine zweite Runde, an allen restlichen Tagen wird nur noch eine stattfinden.

Wir bleiben motiviert.